So isses aufm Dorf: Frühlingsbeginn
(Teil 2, wird in loser Folge fortgesetzt)
Es gibt einen Tag im Jahr, der mir untrüglich anzeigt, dass der Frühling gekommen ist. Es sind nicht die Narzissen, Traubenhyazinthen und Veilchen, die die längst verblühten Schneeglöckchen im Garten abgelöst haben.
Es sind meine Nachbarn. Ostermontag war es wieder einmal soweit. Das ältere Ehepaar im Garten, der direkt an unseren grenzt, begann um die Mittagszeit ein gemessenes Hin und Her. Wie bei einem Schreittanz bogen sie sich bald hierhin, bald dorthin, und in den Händen trugen sie rote, blaue, grüne und goldene Glaskugeln, die sie auf grüne Stäbe steckten, welche sie wiederum an bestimmten Stellen in die Beete versenkten, begleitet von feiertäglich gedämpft gemurmelten Diskussionen. Denn auch, wenn das Aufstellen des Gartenschmucks Tradition hat, wird jedes Jahr aufs Neue entschieden, welche Kugel wohl wohin zu platzieren wäre.
Wenn dieser Tag da ist, dann weiß ich: Es ist Frühling. Meine Nachbarn sprechen kein Wort Hochdeutsch (außer, wenn sie ihm aus der Zeitung vorliest), sodass ich mich in der Konversation anpassen muss. Ich mache das gerne, denn es sind wunderbare und herzensgute Leute. Dabei erfahre ich zum Beispiel, was die Tochter vom Freund vom Schmitt seinem Sohn gemacht hat. Ich kenne weder die Tochter noch den Freund, weder den Sohn noch Schmittens, aber das macht nichts.
Über den Zaun werden nicht nur freundliche Worte ausgetauscht. Oft erhalte ich ein paar überzählige Blühpflanzen, Kohlrabiblätter oder auch mal eine gekochte Kartoffel für die Kaninchen. Oder wir bekommen die Katze zurückgereicht, die es zwar in Nachbars Garten schafft, aber den Weg zurück partout nicht findet.
Ich wünsche mir noch viele dieser Tage, an denen meine Nachbarn die Kugeln aufstellen.