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Mit Liebe und Sorgfalt: Wenn Werbung uns träumen lässt

Es ist die Zeit, in der ich wieder meine Osterkarte gestaltet habe und bei einem bekannten Drogerieunternehmen drucken lasse. Die machen das gut und für kleines Geld. Dieses Mal erhielt ich als Auftragsbestätigung folgende Mail:

„Liebe Frau Kathrin Hentzschel,
vielen Dank für Ihre Bestellung. Mit viel Liebe und Sorgfalt wird Ihr ganz persönliches Fotoprodukt nun für Sie gefertigt. Sobald Ihr Auftrag fertiggestellt wurde, informieren wir Sie per E-Mail.“

Ist das nicht süß …? Mit viel Liebe und Sorgfalt! Das stelle ich mir folgendermaßen vor:

Als Irene G.an einem frühlingshaften Tag im März aufwacht, ist sie sich sicher: Heute wird sie wieder mit besonderer Liebe und Sorgfalt ihre Arbeit im Fotolabor erledigen. Wie immer in der Zeit vor den Osterfeiertagen, wenn viele Menschen ihre Lieben mit einer Fotogrußkarte bedenken möchten, gibt es viel zu tun. Das macht Irene G. nichts aus. Im Gegenteil, dann kann sie mit ihrer Arbeit noch mehr Freude schenken als sonst. Gut gelaunt betritt sie das Fotolabor, in dem es bereits brummt und schwirrt wie in einem Bienenstock. Am zentralen Rechner mit den digitalen Aufträgen holt sie sich ihre Arbeit ab. Konzentriert blättert sie durch die Bestellscheine. Da huscht ein Lächeln über ihr Gesicht: „Ah, ein Auftrag von Frau Hentzschel aus Neuhofen! Darauf muss ich doch wieder ganz viel Liebe und Sorgfalt verwenden!“ Diesen Leckerbissen legt sie ganz oben auf ihren Stapel, den sie mütterlich an ihre Brust gepresst ins Labor trägt. Gerade die Entwicklung will liebevoll und sorgfältig vorgenommen sein. Behutsam taucht sie das Bild ins Entwicklerbad. „Nein, doch lieber so“, spricht sie zu sich selbst und nimmt einen feinen Haarpinsel, mit dem sie die Flüssigkeit manuell aufträgt. Schon treten die Farben hervor, das leuchtende Gelb, das satte Grün, und mit schräg geneigtem Kopf begutachtet Irene G. ihre Arbeit. Sie ist zufrieden, und die Kundin wird es auch sein.

Wahrscheinlicher ist, dass es sich so nicht abspielt. Vielleicht sind es graugesichtige LabormitarbeiterInnen, die, schwindlig von den Entwicklerdämpfen, alle Bilder am Fließband durch ein Chemiebad schicken. Oder es gibt gar keine Menschen mehr, nur noch Maschinenhallen mit Digitaldruckern von der Größe eines Teilchenbeschleunigers. Das ist am ehesten wahrscheinlich.

Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen. Das Resultat meiner Osterbastelei finden Sie übrigens hier.

(Bild von Pixabay)

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