In Sprache

You can say you to me

Das sagte angeblich Helmut Kohl, als er seinem amerikanischen Amtskollegen das Du anbot. Okay, das war einer der berühmten Kohl-Witze. Anscheinend ernst gemeint ist der neue Trend in Stellenanzeigen: Es wird geduzt. Warum eigentlich? Weil es so hip und locker klingt? Oder weil sämtliche Scheintote über 30 abgeschreckt werden sollen? Ganz schön diskriminierend. Zudem werden in diesen Ausschreibungen keineswegs Praktikanten gesucht, sondern grundsätzlich Profis mit mehrjähriger Erfahrung.

Ich bin nicht die einzige, der das aufgefallen ist. Es gibt einige Karriereblogs, in denen erörtert wird, wie man auf ein Duzen am elegantesten reagiert. Der Grundtenor ist dabei nicht einhellig, sondern oszilliert zwischen „Zurück siezen“ und „Fast alles ist erlaubt“. No stress also?

Unlängst habe ich mich auf eine nette Stellenanzeige in freier Mitarbeit beworben. Das Du klang wertschätzend und sympathisch; das Tätigkeitsfeld interessant. Auf allen anderen Webseiten präsentiert sich das Unternehmen natürlich siezend. Das ist es, was mich irritiert. Selbstverständlich habe ich den Anprechpartner gesiezt. Da halte ich es mit meiner Ex-Schwiergerfreundin. Lange hatte es zum Du gedauert mit der Begründung: „Man sagt leichter „Du Arschloch“ als „Sie Arschloch“.

Da ich einige Wochen lang nichts auf meine Bewerbung gehört habe, griff ich zum Telefonhörer, um mal nachzuhorchen. Dabei sprach ich auch das Duzen an.

Man wolle das Ganze ein wenig moderner und unternehmerischer angehen, war die Antwort. Und man freue sich, dass mir die Stellenanzeige aufgefallen war. Schon, aber nicht wegen des Du … Wäre nicht eine einheitliche Unternehmenssprache wünschenswert? Genau das ist eines der Themenfelder, auf die ich mich beworben habe!

Noch etwas: Ebenfalls uneinheitlich sind Bestell-Websites. Sowohl ein Pflanzenhändler als auch mein Drogendealer (=Anbieter des Kaninchenheus;-)) sprechen ihre Kunden zunächst per Sie an. Sobald man etwas bestellt hat, wird es vertraulich: „Deine Bestellung ist nun abgeschlossen.“ Und ein Pionier in dieser Hinsicht war vor etlichen Jahren ein ehemaliger Stromanbieter von mir. Ihm habe ich damals schon einen Blogbeitrag gewidmet. Dort ging das Duzen allerdings umgekehrt: Zunächst war alles easypeasy; ich fühlte mich in die günstige Stromanbieterfamilie aufgenommen, geherzt und geküsst. Als ich kündigte, fiel die zwischenmenschliche Temperatur auf ein eisiges Sie. Fast wie im richtigen Leben.


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