Soziale Kontrolle oder: Tratsch
(aus der Serie „So isses aufm Dorf“, Folge 5)
Unlängst habe ich in unserer Parallelstraße jemandes Haus gesucht, um etwas einzuwerfen. Ich hatte die Hausnummer vergessen, und so fragte ich einen Herrn, der sich gerade an seinem Fahrrad zu schaffen machte, wo denn der Herr Soundso wohne. Als Antwort erhielt ich: „Ah, den suchen Sie? Das ist da vorne auf der rechten Seite, da, wo die Kacheln vom Haus abfallen. Warten Sie, ich fahr mit“. Überrascht von so viel Hilfsbereitschaft, freute ich mich. Der Herr nutzte sogleich die Gelegenheit zu einem Schwätzchen, indem er mich seinerseits ausfragte: „Ah, hat er Scheiße gebaut (es handelte sich um einen Handwerker)?“ Als ich das verneinte, wies er ein weiteres Mal auf die abgefallen Fliesen an dem Haus, das wir inzwischen erreicht hatten: „Ha, das gehört doch wirklich mal gemacht“. Ich meinte, dass es Wichtigeres gäbe, bedankte mich, warf meinen Umschlag ein und radelte um die Ecke heim. Etwas nachdenklich.
Was wäre gewesen, wenn ich jetzt noch en passant ein paar Familiengeschichten erfahren hätte? Nach dem Motto: „Ah, dessen Sohn ist gerade gestorben“ (dann hätte ich betroffen gucken müssen), oder „Ah, dem seine Tochter macht mit der Nummer 39 rum, dabei ist sie verheiratet“ (da hätte ich dann eher teilnahmslos genickt). „Aber von mir haben Sie das nicht!“ Dieser Satz darf bei Pikanterien ja nicht fehlen.
Und was würde jemand zu hören bekommen, der nach unserem Haus fragte …? Da wären mehrere Antworten denkbar: „Ah, das sind die, die auch mal ihr Haus streichen könnten.“ Oder: „Ah (Viele Sätze beginnen bei uns mit „Ah“ oder „Ha“), das sehen Sie gleich, das ist da, wo vorm Haus das ganze Unkraut wächst. Und die Gass kehren die ja auch nie. Aber bis nachts um 2 brennt’s Licht.“
Irgendwie baut das Druck auf. Ich habe mir ja schon angewöhnt, sonntags nicht zu waschen. Das macht hier keiner. Der Großkampftag ist dafür samstags. Da ist alles erlaubt, was Krach macht: Sägen, schleifen, hämmern, und Rasenmähen. Meistens bricht am späten Vormittag ein regelrechtes Rasenmäher-Massaker ringsum aus. Ab 13 Uhr wird es dann wieder für zwei Stunden still; die Mittagspause wird nämlich peinlich genau eingehalten. Also wasche ich ebenfalls samstags, mähe den Rasen und kehre den Hof. Für die Gass langt es dann aber meistens nicht mehr.
Kommentare
Tja, so läufts. Ich wohne ja nichtmal aufm Dorf und auch meine neue Bude ist nur in einem netten Wohngebiet am Stadtrand, aber da kommt wohl auch sowas auf mich zu: Wir liefen mit den Hunden durch die Nachbarschaft und eine Frau mit einer netten Hündin kam uns entgegen. Direkt nach dem kurzen Gruß und Check, ob Hund verträglich, kam ihr Kommentar „Sie wohnen ja bald hier um die Ecke!“, nicht als Frage sondern als Feststellung. Hui, da fließen die Informationen aber auch ziemlich schnell, die Dame kannten wir nichtmal vom Sehen.
Heißt also – Ihr müsst Euch benehmen;-)! Zumindest die Hündin ist ja schon mal nett. Wir sagen hier: Wie de Herr, so’s Gscherr.