In Menschen, So isses aufm Dorf

Wär‘ schön, aber ich würd‘ ja doch nicht

(Aus der Reihe „So isses aufm Dorf“, Folge 6)

Neuhofen besitzt einen neuen, stylish aufgemachten Imbiss, einen ebenfalls neuen urschicken Italiener, das gemütliche Lokal in meiner Straße, ein bis zwei Raucherbeizen und bodenständige Vereinslokale mit ordentlich was auf dem Teller. Was Neuhofen nicht hat, ist ein Café. Das einzig Café-ähnliche war die Außenbestuhlung der Eismanufaktur in einem fiesen Gewerbegebiet, aber die hat dichtgemacht, und die Tische beim Bäcker Görtz zählen nicht.

Ein Café wäre zwar schön, braucht es aber nicht wirklich.

Denn als Dorfbewohner ist man in der Regel auch Haus- und Gartenbesitzer oder hat zumindest einen Schrebergarten. Da gibt es immer etwas zu basteln. Und das alles neben Berufstätigkeit, Familie oder dem Rentnerdasein. Als Rentner hat man bekanntlich am allerwenigsten Zeit. Wann sollte man da also noch müßig im Café sitzen? Um es mit den Worten einer Dorfbewohnerin zu sagen: „Ein Café wäre ja schön, aber ich würde ja eh nicht reingehen“. Damals habe ich darüber den Kopf geschüttelt. Heute kann ich es verstehen. Solche Vergnügungen sind dem Städter vorbehalten. Die sitzen rudelweise als digitale Nomaden vor aufgeklapptem Laptop und anderen elektronischen Geräten und pflegen nach getaner Arbeit im Büro (wenn sie überhaupt irgendwo fest arbeiten) ihre Netzwerke. Das geht hervorragend im Straßencafé, wo man kann sich gleichzeitig auch zeigen oder mit dem Auto posen kann. In Mannheim habe ich das auch gerne gemacht und das eine oder andere neue Kleidungsstück ausgeführt. Tempi passati! Jetzt bin ich um jedes Mußestündchen froh, und das verbringe ich gern lesend in der Hängematte oder auf dem Sofa.

Vielleicht liegt es ja daran, dass die Neiheffer überwiegend evangelisch sind und hier die protestantische Ethik voll zum Tragen kommt. Die lautet, sehr frei nach Max Weber: „Schaffe, schaffe Häusle baue“, auf dass nach arbeitsreichem Leben voller Mühsal im Himmel die erhoffte Belohnung winke, wie auch immer die aussehen mag. Soziale Interaktion funktioniert hier auch, aber anders. Der Nachbarort Waldsee dagegen ist eher katholisch geprägt. Dort gibt es zwar auch kein Café. Aber die beste Eisdiele weit und breit und man sitzt auf der Straße.

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