In Sprache

Eine Rede, wie sie wahrscheinlich nie gehalten wird

(aber längst einmal hätte gehalten werden müssen):

 

Ehrenwerter Fotoapparat,

verehrtes Rührgerät,

sehr geehrter Ladyshave,

angebeteter Plattenspieler,

treu gediente Waschmaschine,

teuer geschätzte Küchenmaschine,

werter Staubsauger,

sehr verehrte Maschinen, Apparate und Geräte, die mir seit vielen Jahren wertvolle Dienste erweisen und mich nie im Stich gelassen haben!

 

Ihr ahnt es: Heute ist der Tag, an dem ich mich einmal bedanken möchte. Und zwar bei all den treuen Helfern, die die meiste Zeit ihres Lebens hinter Gardinen, in Regalen oder Schränken verwahrt verbringen und bei Bedarf stets gewissenhaft ihre Arbeit verrichten.

 

Zu meiner Volljährigkeit, und das ist nun schon 26 Jahre her, schenkten mir meine Eltern einen Fotoapparat. Nicht irgendeinen. Immerhin eine Spiegelreflexkamera mit Halbautomatik, das heißt, die Blende war von Hand zu wählen, während sich darauf die Belichtungszeit von selber einstellte. Der Blitz war nicht integriert, sondern musste extra aufgesetzt werden. Nicht wirklich praktisch für eine Schülerin, die am liebsten Schnappschüsse von abendlichen Ausgängen gemacht hätte. Aber dir, verehrter Fotoapparat, habe ich meine Freude am Fotografieren zu verdanken, die bis heute anhält!

In viele Länder hast du mich begleitet und für bleibende Eindrücke gesorgt. Manch einen Wegbegleiter und manche Situation hast du für immer bewahrt. Mehrmals bist du mir aus der Hand gefallen. Am dramatischsten war wohl dein Sturz in Sarajevo auf einen Steinboden. Doch auch den hast du problemlos weggesteckt. Und wie viele Kameras aus dem Freundeskreis – all die Minoltas, Nicons und sogar Canons – hast du hinter dir gelassen. Noch vor wenigen Jahren durftest du, das digitale Zeitalter war schon lange angebrochen, mit einer schönen Schwarz-Weiß-Serie noch einmal zeigen, was du drauf hast. Und du hast es nach wie vor. Für diese im wahrsten Sinne des Wortes reife Leistung möchte ich dir danken!

 

Liebes Rührgerät,

weißt du noch, wann es war, als du zu mir kamst? Ich erinnere mich genau: Tante Ute besuchte mich in meiner ersten eigenen Wohnung unter dem Dach (Schreibtisch, Kühlschrank und Bett bildeten ein Dreieck mit Schenkeln von jeweils zwei Metern Länge) und brachte mir zum Einstand ein Überlebenspäckchen. Es enthielt was zu futtern, ein bisschen Besteck und dich. Sie hatte dich ausrangiert. Dein genaues Geburtsdatum weiß ich nicht, doch ich denke, das Vierteljahrhundert hast du locker voll. Was man dir null anmerkt. Zuverlässig hilfst du mir bis zum heutigen Tag bei der Zubereitung von Kuchen oder Kartoffelbrei (und den gibt’s bei mir oft). Dafür danke ich dir heute. Und ich wünsche dir und mir noch mindestens weitere 25 Jahre des gemeinsamen Kochens und Backens!

 

Auch du, mein geschätzter Ladyshave,

begleitest mich nun schon länger als die Hälfte meines Lebens: Ich erhielt dich einst von meiner Mutter, die es leid war, ihren Rasierer mit mir zu teilen. Schneeweiß, handlich, geräuscharm und elegant warst du und bist es noch heute. Bereits in Zeiten, als sich eine bekannte Schlagersängerin noch mit buschigen Achselhöhlen präsentierte, hast du mich von lästigen Körperhaaren befreit.

Zwar erhalte ich inzwischen Unterstützung durch ein Epiliergerät – man geht ja mit der Zeit –  doch wer ersetzt dich, wenn es um empfindlichere Stellen geht?! Deshalb wirst du immer einen Platz in meinem Badschrank behalten und ich werde dich hegen und pflegen und immer mal mit einem neuen Scherblatt versorgen, versprochen!

 

Mein guter Plattenspieler,

du warst das erste Gerät, mit dem ich ins Hi-Fi-Zeitalter gestartet bin, als ich mir meine gebrauchte Stereoanlage zusammengekauft habe. Vor 24 Jahren erwarb ich dich, damals schon gebraucht, und irgendwie habe ich dich in der Straßenbahn nach Hause transportiert. Und dann haben wir – hey-ho, let’s go – tüchtig zusammen die Nachbarschaft gerockt: „Play loud“ der B 52s war Programm!

Mit zunehmendem Alter hast du dir allerdings eine Marotte zugelegt und hattest es immer eiliger … Einen Tschajkovskij im Ramones-Tempo zu hören ging dann selbst mir zu weit.

Seit dem Besuch beim Plattendoktor, bei dem dein Inneres gereinigt wurde, läufst du wieder wie geschmiert und sorgst immer mal wieder für nostalgische Abende!

 

Der Übergang vom dauerrebellierenden Punkzeitalter zur gepflegten Bürgerlichkeit verlief bei mir langsam und nahezu unbemerkt. Ein erster Meilenstein war die eigene Waschmaschine.

Du, mein Waschvollautomat der Marke Privileg, Baujahr 1987, mit Lackschäden am Gehäuse, warst für mich erschwinglich; deine Dienste sind bis heute unbezahlbar. Deine Elektronik ist schlank, und meine eigenwilligen Programmänderungen hast du immer klaglos hingenommen. Kleinere Reparaturen sind zwar bisweilen nötig; die meisten Zipperlein lassen sich aber durch Rütteln, Schütteln und Klopfen beheben. Das ist nicht immer nett von mir, aber kleine Schläge auf den Hinterkopf erhöhen ja bekanntlich das Denkvermögen …

Und ich denke, du wirst mir schwer zu ersetzen sein, wenn du einmal deine letzte Umdrehung gemacht haben wirst!

 

Verehrte Küchenmaschine,

deine Aufschrift ist schon lange nicht mehr lesbar. Doch deine Messer sind noch immer scharf, dein Motor hat Riesenkräfte. Wie oft habe ich dich mit kochendheißen Gemüsestücken ins Schwitzen gebracht, und zur Weihnachtszeit gab ich dir manch harte Nuss zu knacken. Niemals wäre dir in den Sinn gekommen, aufzugeben.

Mittlerweile assistiert dir von Zeit zu Zeit ein so genannter Zauberstab. Doch deine Vielseitigkeit macht dich für mich unersetzlich. Das ist so, und das wird so bleiben!

 

Werter Staubsauger,

beweisen musstest du dich von Anfang an, schließlich riss deine Anschaffung in den 90-er Jahren ein nicht gerade kleines Loch in meinen studentischen Geldbeutel. Zu schaffen hattest du auf meinen grauen Teppichböden und zwei schwarzen Katzen reichlich.

Inzwischen ist das Leben für dich leichter geworden: Nur noch ein bis zwei Mal die Woche musst du lediglich über glatte Holzböden gleiten.

Aber ein tolles Stück war, als wir im Sommer zusammen die Dachrinne gereinigt haben, nicht wahr? Zwei Beutel hat es uns gekostet, und du hast arg geschnauft. Doch wir haben es geschafft – eine Leistung, zu der weder Besen noch Handfeger in der Lage gewesen waren.

Ich werde mir niemals, solange du lebst und es Staubsaugerbeutel für dich gibt, einen Dyson zulegen! So viel Treue auch von meiner Seite muss sein!

 

Und last but not least sei ein weiterer Pensionär herzlich bedankt:

Du kleiner Fernseher, dessen Bildschirm  gerade mal so groß wie eine Handfläche ist, umgeben von einem fleischfarbenen Gehäuse, das seit Urzeiten ein Garfield-Aufkleber ziert.

Zwar liegt deine genaue Herkunft für mich im Dunkeln, wie auch dein Bildschirm seit vielen Jahren schon für immer dunkel ist. Mein zweiter Freund brachte dich einst mit, nachdem er dich schon als Teenager besessen hatte. In guten Zeiten konntest du drei Programme, selbstverständlich in schwarz-weiß, empfangen, und du hast mir nicht selten ob deiner Handlichkeit manches Fernsehvergnügen in der Badewanne bereitet. Als ich vor drei Jahren umzog, stand dein Abgang zur Debatte. Aber ich habe dir lieber einen Platz auf dem Dachboden eingeräumt. Das bildet an sich einen kleinen Akt der Rebellion, denn angemeldet bist du nicht. Ätsch!

 

Kommentare

  1. Update zu dieser Rede aus dem Jahr 2010: Der Plattenteller dreht sich auch heute noch, und weiterhin verrichten Küchenmaschine, Waschmaschine und das Rührgerät ihre Arbeit.

    Verabschieden musste ich mich vom Staubsauger, während Fotoapparat und Ladyshave in Rente gehen durften. Der kleine Fernseher ist zu seinem einstigen Besitzer zurück gekehrt.

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